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Prof. Dr. Ludwig Siep Praktische Philosophie der Neuzeit 11. Jean-Jacques Rousseau, Staatsphilosophie, Contrat Social – PowerPoint PPT presentation

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Title: Folie 1


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Prof. Dr. Ludwig Siep Praktische Philosophie
der Neuzeit 11. Jean-Jacques Rousseau,
Staatsphilosophie, Contrat Social
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Rousseaus Staatsphilosophie (Quellen Widmung des
2. Discours, Genfer Manuskript des Contrat
Social, Contrat Social Vom Gesellschaftsvertrag,
fünftes Buch des Émile, Briefe vom Berge,
Verfassungsentwurf für Korsika, Überlegungen über
die Staatsform in Polen)   Das Programm des CS
Die Bedingungen für Gesellschaften anzugeben, in
denen die Zerstörung der natürlichen Basis des
Zusammenlebens durch eine künstliche Form der
Vereinigung aufgehalten werden kann. Eine
Vereinigung, in der der Mensch sich zum
moralischen Wesen entwickelt, das nicht durch
egoistische Interessen, sondern das Wollen des
gemeinsamen Guten beherrscht ist. Rousseau bleibt
aber insofern bei den Grundannahmen seiner frühen
Kulturkritik, als er in solchen Gemeinschaften
in erster Linie eine Chance für die Verzögerung
bzw. den Aufschub des Verfalls der Gattung sieht
- und dies wohl auch nur da, wo der Verfall noch
nicht zu weit fortgeschritten ist (z.B. Genf,
Korsika, Polen). Solche Vereinigungen haben
sowohl ökonomische, wie sittlich-religiöse, wie
rechtlich-institutionelle Bedingungen.
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1. Ökonomisch Herstellung einer Art
"nivellierter Mittelstandsgesellschaft" - also
mäßiger Vermögens- und Einkommens-unterschiede,
wenn auch nicht unbedingt strenger Gleichheit.
Außerdem möglichst weitgehende wirtschaftliche
Unabhängigkeit durch handwerkliche oder
landwirtschaftliche Tätigkeit (kein generelles
Verbot von Lohnarbeit). 2. Sittlich-religiös
Erhaltung von Gebräuchen und wechselseitigen
Erwartungen, die Gemeingeist und Patriotismus
honorieren, dagegen Gruppen- oder Privat-Egoismus
tabuisieren. Dazu gehört (vgl. Diskussion des
antiken Zensoramtes im CS und Bemerkungen aus dem
Nachlass) ein starker öffentlicher Druck auf das
moralische Verhalten der Individuen - begünstigt
durch das wechselseitige Bekanntsein in kleinen
Gemeinschaften ("Dorfmoral"). Ferner ein
staatlich vorgeschriebenes Glaubensbekenntnis,
das von jedem öffentlich anerkannt werden muss
und auf dessen Nicht-einhaltung in äußeren
Handlungen (die innere Überzeugung geht den Staat
nichts an) die Todesstrafe steht.
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Inhalt der Bürgerreligion (réligion civile) "Die
Existenz der allmächtigen, allwissenden,
wohltätigen, vorhersehenden und sorgenden
Gottheit, das zukünftige Leben, das Glück der
Gerechten und die Bestrafung der Bösen sowie die
Heiligkeit des Gesellschaftsvertrages und der
Gesetze - das sind die positiven Dogmen. Was die
negativen Dogmen anlangt, so beschränke ich sie
auf ein einziges die Intoleranz" (IV, 8 - 151)
Geboten ist also - ähnlich wie bei Locke -
Toleranz gegenüber allen theistischen Religionen,
die mit dem angegebenen Gottesbild vereinbar sind
(gegen "allein selig machend"). 3.
Rechtlich-politische Institutionen Sie beruhen
für Rousseau, nicht anders als für seine
Vorgänger, auf einem Gesellschaftsvertrag, der
als die einzig mögliche Lösung des
grundsätzlichen gesellschaftlichen Problems
angesehen wird "Finde eine Form des
Zusammenschlusses, die mit ihrer ganzen
gemeinsamen Kraft die Person und das Vermögen
jedes einzelnen Mitglieds verteidigt und schützt
und durch die doch jeder, indem er sich mit allen
vereinigt, nur sich selbst gehorcht und genau so
frei bleibt wie zuvor." (CS I, 6)
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Die Lösung dieses Problems besteht in der
"völligen Entäußerung jedes Mitgliedes mit allen
seinen Rechten an das Gemeinwesen als Ganzes",
die eine Art sittlicher Verwandlung darstellt es
entsteht "augenblicklich an Stelle der
Einzelperson jedes Vertragspartners eine
sittliche Gesamtkörperschaft". Die Folgen
werden erst aus den institutionellen Konsequenzen
im 6. Buch des CS deutlich Dem Vertrag
entspricht allein eine Republik, in der die
Gesetzgebung durch direkte Volksabstimmungen
aller Bürger vollzogen werden muss. In diesen
Volksabstimmungen genügt aber die Mehrheit um die
volonté générale zu formulieren (mit Ausnahme der
Änderung des Gesellschaftsvertrages selber, die
einstimmig sein muss). Diese Formulierung gilt
der überstimmten Minderheit nicht nur als legal,
sondern zugleich als "wahr" (bedenkliche Folgen
für ihre Kritisierbarkeit). Die Legislative kann
die streng an die Vollziehung der Gesetze
gebundene Exekutive jederzeit - nicht nur bei
nachgewiesenem Gesetzesbruch - entlassen.
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Im übrigen entspricht die Staatsrechtslehre
Rousseaus' im CS in vielen Punkten derjenigen
Lockes - mit Ausnahmen der Ablehnung jeder
Repräsentation bei der Gesetzgebung und eines
generellen Verbots von Parteien, die für Rousseau
immer Sonderwillen (volonté particulière) sind
und der volonté générale notwendig im Wege
stehen. Dennoch hat Rousseaus' Staat einen
anderen Charakter als der Lockes da der
Naturzustand vor der Errichtung einer Republik
nach dem CS schon zerstört ist, gibt es keine im
strengen Sinne natürlichen Rechte, an denen der
Gesellschaftsvertrag orientiert ist.
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Kritik, offene Fragen, Wirkung   Man hat Rousseau
vielfach demokratischen Totalitarismus
vorgeworfen, weil er keinen Grundrechtsschutz und
keine Minderheitenrechte vorsieht, Parteien bzw.
politische Gruppen ablehnt, von einem
moralisch-religiösen Patriotismus ausgeht (vertu,
amour pour la patrie etc.) und Gewaltenteilung
nur als Trennung von Legislative und (streng
untergeordneter) Exekutive vorsieht. Die Kritik
ist aber zumeist überzogen - vor allem wenn man
die "Lettres écrits de la montagne" (1764)
hinzuzieht und darin die reale Verfassung
beschrieben sieht, an der Rousseau seit 1755
(Widmung des 2. Discours an die Stadt Genf)
weitgehend orientiert war die Verfassung von
Genf. In ihr gibt es einige Schranken des
Mehrheitswillens
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1. Änderungen des Gesellschaftsvertrages, die in
die sittliche Freiheit und das rechtmäßige
Eigentum eingreifen, lösen den Gesellschaftsvertra
g auf. (Eigentum ist eingeschränkt durch Arbeit,
Bedürfnis und die Erfordernisse der
Unabhängigkeit der Anderen.). Verletzungen des
Gesellschaftsvertrages durch die Regierung heben
die Gehorsamspflicht auf. 2. Kritik Einzelner an
der Regierung können in Form von Petitionen oder
Gesetzesinitiativen an die Regierung gegeben
werden, die dazu in der Volksversammlung Stellung
nimmt. 3. Die Überordnung der Volksversammlung
über die Regierung hat Grenzen, weil die
Gesetzesinitiative von der Regierung (Kleiner
Rat) ausgeht und die Volksversammlung nur ja oder
nein sagen kann (vgl. heutige Schweizer
Volksabstimmung) 4. Rousseau denkt an eine kleine
Republik relativ Selbständiger mit ähnlichen
Überzeugungen, Sitten, Interessen (volonté
générale und interêt commun in Übereinstimmung).
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Richtig ist aber, dass Rousseau die
traditionellen Elemente der Kontrolle des
Machtmissbrauchs und der Einschränkung von
Herrschaft - in seinem Falle der Einschränkung
des Mehrheitswillens durch Minderheitenschutz -
nicht in seine politische Philosophie integriert
hat. Gründe 1. Überschätzung des
Gesetzesbegriffs für Rousseau sind Gesetze
inhaltlich und formal allgemeine Willensakte, die
sich folglich nicht auf das Wohl, Interesse,
Bedürfnis oder Neigung einzelner, sondern nur auf
das allgemeine Wohl richten können. Sie sind also
notwendig zugleich Akte des souveränen Willens
der politischen Gemeinschaft und Realisierungen
des Gemeinwohls. In dem Verfahren ihres
Zustandekommens, der Beratung und Entscheidung
aller Bürger (aber CS ohne lange Diskussion),
liegt die Gewähr, daß sie auch alle
nicht-egoistischen Interessen gleicherweise
berücksichtigen und ("mathematisch")
harmonisieren.
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2. Idealisierung bestimmter Momente der Antike
u. a. der spartanischen und altrömischen Republik
und ihrer Verbindung mit der neuzeitlichen
Tendenz, im Staat die verlorene Gesinnungseinheit
der Kirche nach der Glaubensspaltung wieder
herzustellen. Bei Rousseau tritt an die Stelle
der religiös weltanschaulichen Einheit die
Einheit der Sitten, der ökonomischen Interessen
und der "moralischen" Haltung des Patriotismus -
im Rahmen der toleranten réligion civile. 3.
Mehrdeutigkeit zentraler Begriffe und Lehrstücke
des CS (Wahrheit der volonté générale,
Verhältnis von Privat- und Staatseigentum etc.).
Beruht wohl auf einer Unentschiedenheit Rousseaus
zwischen - einem eingeschränkten, den
verschiedenen Ansprüchen, Interessen und
Bedingungen des Menschen gegenüber neutralen,
"bloß" rechtsstaatlichen Sinn seiner
Institutionen (der liberale Rousseau) - und einem
totalen, den ganzen Menschen mit den Zielen eines
homogenen Gemeinwesens verschmelzenden
spartanischen oder römischen Sinn der
selben Institutionen (der vormoderne,
demokratisch totalitäre R.)
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Wirkung Aufgrund ihrer Mehrdeutigkeit ist
Rousseaus politische Philosophie Ahnherr fast
aller politischen Strömungen des 19. und 20.
Jahrhunderts geworden. (1) Sie ist ein Glied in
der Fortbildung der Idee eines Gesetzes- und
Rechtsstaates, der die moralische und religiöse
Innerlichkeit freilässt, aber von privaten
Interessen und Gruppenbindungen frei ist also
der liberalen Tradition von Locke über Kant und
Constant bis in die Gegenwart. (2) Sie steht
(mit) am Anfang der Tradition, die Kritik übt an
der Differenzierung zwischen privater (bourgeois)
und öffentlicher (citoyen) Natur des Menschen
und ihre Grundlage auf Arbeitsteilung und
Eigentum zurückführt also der sozialistischen
Tradition (Frühsozialisten bis Marx). (3) Auf
Rousseau beruft sich auch die konservative
Gegenbewegung gegen die Industrialisierung und
Liberalisierung im 19 und 20. Jahrhundert, die
sich orientiert an der idealisierten
geschlossenen Gesellschaft vorindustrieller,
mittelständischer Wirtschaft, an der Einheit von
Staat und Religion, und die Kritik an der
großstädtischen Moral und Zivilisation. Dieses
heterogene Erbe zeigte sich schon in der
französischen Revolution, im ganzen 19.
Jahrhundert und bis heute.
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