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Was ist kognitive Linguistik? Entwicklung und aktuelle Tendenzen

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Was ist kognitive Linguistik? Entwicklung und aktuelle Tendenzen Ringvorlesung Interdisziplin re Linguistik 09.11.2005 Was hei t Denken (Kognition)? – PowerPoint PPT presentation

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Title: Was ist kognitive Linguistik? Entwicklung und aktuelle Tendenzen


1
Was ist kognitive Linguistik?Entwicklung und
aktuelle Tendenzen
  • Ringvorlesung Interdisziplinäre Linguistik
  • 09.11.2005

2
Was heißt Denken (Kognition)?
  • In einer Vorlesung, die Heidegger 1951-52
    gehalten hat, zergliedert er (in der zweiten
    Vorlesung) die Frage in vier Lesarten
  • Was benennt das Wort Denken?
  • Wie wurde (geschichtlich) das Denken, z.B. in der
    Logik, aufgefasst?
  • Was wird von uns verlangt, damit wir imstande
    sind zu denken?
  • Was heißt uns denken? Was drängt uns dieses Tun
    auf?

3
Levinas- der Andere
  • Die Andeutungen Heideggers, wie die Frage Was
    heißt uns Denken (Sprechen)? zu beantworten sei,
    bleiben im Rahmen einer Subjekt-Welt(Sein)-Konfigu
    ration. Gerade die Sprache (und natürlich ebenso
    das Denken) verweist aber auf den Anderen, den
    vom Ich differenten, grundsätzlich nicht
    einholbaren, verstehbaren Anderen. Levinas (1946)
    hat nicht zuletzt aus der Erfahrung des Zweiten
    Weltkrieges, die ethische, d.h. die auf den
    Anderen bezogene Funktion des Sprechens (und
    Denkens), hervorgehoben. Sie verweist deutlich
    über das Individuell-Kognitive hinaus, bringt die
    Differenz der Geschlechter, der Generationen, die
    Verantwortung, die Begrenzung der Gewalt in den
    Kreis jener Kräfte, die den Menschen drängen
    (heißen) zu sprechen und zu denken.

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Evolutionäre Perspektive
  • Was heißt uns denken und sprechen? kann
    innerhalb der Wissenschaften aus einer
    evolutionären Perspektive angegangen werden. Den
    Schimpansen, der eine Gesten oder eine
    Chip-Sprache lernt, heißt sein Appetit bzw. die
    Belohnung, die er für seine Sprachleistung
    erhält, sprechen. Auch der Mensch braucht einen
    sozialen Kontext, der ihn denken und sprechen
    heißt, wie die Kaspar-Hauser-Fälle zeigen. Aber
    selbst die armseligsten und härtesten
    Umweltbedingungen genügen, wenn nur Gelegenheit
    zur Kommunikation gegeben ist, um den Menschen
    denken und sprechen zu lassen. Das Geheiß (im
    Sinne Heideggers) ist im Menschen oder in seiner
    Gemeinschaft fest verankert und die Fähigkeit
    entfaltet sich spontan und mühelos. Die Evolution
    des Menschen und wohl noch stärker der
    menschlichen Gesellschaft ist also der Schlüssel
    zur Beantwortung der Frage nach dem was den
    Menschen sprechen heißt.

5
Was heißt Sprache erklären?
  • Chomsky stellte die Erklärungsadäquatheit ans
    Ende der Prüfkriterien einer Theorie. Stellen wir
    aber zuerst die Frage Wozu wollen wir Sprache
    erklären?, dann wird die Beschreibung nur Mittel
    zum Zweck und kann ohne diese nicht bewertet
    werden. In dieser Hinsicht erscheint die
    Kognitive Semantik als Fortschritt, denn sie
    versucht, bereits in der Deskription den
    Erklärungsanspruch einzulösen.
  • Das Zurückweichen der generativen Modelle vor dem
    Verlangen nach Erklärung war in Chomskys
    Grund-konstruktion bereits angelegt. Die primäre
    Beobachtungs-adäquatheit konnte nur durch eine
    radikale Einschränkung des Analyserasters
    erreicht werden. Bis das Gesamtmodell stand,
    dessen Erklärungsadäquatheit letztendlich zu
    bewerten war, mussten so vielfältige Konventionen
    eingeführt werden, dass unklar war, was nun auf
    seine Erklärungsadäquatheit zu evaluieren war,
    der technische Apparat oder die in ihm
    ausgedrückten Analyseergebnisse.

6
Die Entstehung der fundamentalen Problematik
  • Die systematische Anbindung der Sprachtheorie an
    eine Kognitionstheorie finden wir bereits in John
    Lockes (1632-1704) An Essay Concerning Human
    Understanding (1690), in dem er zuerst auf der
    Basis von Empfindung (sensation) und
    Reflexion (Selbstwahrnehmung, reflection) eine
    Welt von Ideen (ideas) konstruktiv entstehen
    lässt. Diese reiche Welt von Ideen, also die
    kognitiven Elemente und Strukturen des Geistes,
    werden in einem weiteren Buch über die Wörter mit
    sprachlichen Einheiten und Strukturen verknüpft
    (darauf aufbauend wurde eine Sprachkritik
    skizziert).
  • Diesen Standpunkt können wir als einen vor der
    philosophischen Entstehung der grundlegenden
    Fragestellung der Kognitiven Linguistik
    bezeichnen Kognition und Sprache sind noch
    getrennt, die Kognition geht der Sprache voraus,
    die Sprache macht aber die Kognition in ihrer
    kommunikativen Funktion möglich.

7
  • Die Lockesche Innovation wurde von Leibniz in
    seinem Essay Nouveaux Essais sur lEntendement
    Humain (1704 erst 1765 publiziert) aufgegriffen
    und begründete zusammen mit Condillacs
    Weiterführung und Verschärfung in dessem Essai
    sur lOrigine des Connaissances Humaines (1746)
    die eigentliche Tradition einer sprachzentrierten
    Erkenntnistheorie in den Haupt-strömungen der
    Philosophie (etwa bei Kant und in der Philosophie
    des 19. Jh.) fand sie dagegen wenig Widerhall
    (immerhin gab es die Linie Herder-Humboldt).
  • In dieser neuen Perspektive ist die Kognitive
    Linguistik mehr als ein empirischer Zugang zur
    Kognitionsforschung sie ist das
    epistemologisches Fundament zumindest der
    höheren, d.h. besonders der menschlichen
    Kognition. Die Kognitive Linguistik wird damit zu
    einem Kernbereich der Kognitionswissenschaft. So
    gesehen ist die philosophische Voraussetzung
    einer starken (d.h. epistemologisch notwendigen)
    Disziplin Kognitive Linguistik im Bereich der
    Kognitionswissenschaft (die freilich beide erst
    viel später entstehen sollten) seit 1746 gegeben
    und Condillac ist ihr eigentlicher Begründer.

8
Die Hypothese der linguistischen Relativität des
Denkens
  • Der sprachliche Relativismus bei Wilhelm von
    Humboldt versucht, zwischen einer (fast)
    inhaltsleeren Formalbetrachtung und der
    Akkumulation spezifischer Details eine Synthese
    zu finden, bei der sowohl Umrisse der
    menschlichen Sprachfähigkeit als auch der
    Eigentümlichkeit jeder Nation festgestellt
    werden.
  • So wie eine einzelne Sprache das Gepräge der
    Eigentümlichkeit der Nation in sich trägt so ist
    es höchst wahrscheinlich, dass sich in dem
    Inbegriff aller Sprachen die Sprachfähigkeit, und
    insofern derselbe davon abhängt, der Geist des
    Menschengeschlechts ausspricht. (Humboldt, 1973
    72 f.)
  • Der seit Aristoteles vielfach akzeptierte
    sekundäre Charakter der Sprache wird deutlich
    abgelehnt.
  • Denn die Sprache ist ein selbständiges, den
    Menschen ebenso wohl leitendes, als durch ihn
    erzeugtes Wesen und der Irrtum ist längst
    verschwunden, dass sie ein Inbegriff von Zeichen,
    von, außer ihr, für sich bestehenden Dingen, oder
    auch nur Begriffen sei. (ibidem 73)

9
Die Entwicklung exakter Modelle für die
(sprachliche) Kognition seit 1940
  • Den Hintergrund exakter Modellbildungen in diesem
    Bereich bilden Synthesebewegungen der 20er Jahre,
    bei denen zwischen Psy-chologie, Biologie und
    Physik eine gemeinsame Theoriebildung, eine
    gemeinsame Systemsprache gesucht wurde.
  • Bertalanffys Buch Theoretische Biologie von
    1932 skizzierte das Programm einer einheitlichen
    wissenschaftlichen Theorie mit der Gründung der
    Gesellschaft für Allgemeine Systemforschung wurde
    das Programm weiter spezifiziert.
  • Major functions are to (1) investigate the
    isomorphy of concepts, laws, and models in
    various fields, and to help in useful transfers
    from one field to another (2) encourage the
    development of ad-equate theoretical models in
    the fields which lack them (3) mini-mize the
    duplication of theoretical effort in different
    fields (4) promote the unity of science through
    improving communication among specialists.
    (Bertalanffy, 1968 15)

10
Implikative Hierarchie der Systemebenen
Statische Strukturen Atome, Moleküle, Kristalle
Uhrwerke Uhren, Maschinen, das Sonnensystem
Kontroll-Maschinen Thermostat, Selbstregelungen
Offene Systeme Flamme, Zelle, Organismus
Niedere Lebewesen pflanzenähnliche Lebewesen
Tiere Informationstransfer, Lernen
Menschen Symbolverwendung, Bewusstsein, Sprache
Soziokulturelle Systeme soziale Lebewesen, Kulturen (beim Menschen)
Symbolische Systeme Sprache, Logik, Mathematik, Wissenschaft, Kunst ...
11
Erste neuronale Modelle
  • Für die konkrete Modellierung einfacher
    kognitiver Prozesse waren die Arbeiten von
    McCulloch und Pitts (1943) A logical calculus of
    the ideas immanent in neural nets von
    program-matischer Bedeutung. Mit ihnen beginnen
    Minsky und Papert (1988) ihren Rückblick auf die
    Entwicklung exakter Modelle für kognitive
    Prozesse.
  • 1947 gelang den beiden Forschern ein Durchbruch.
    Sie hatten die praktische Aufgabe zu lösen, einen
    Apparat für Blinde zu konstruieren, der diesen
    ermöglichen sollte, eine gedruckte Seite mit
    Hilfe des Ohres zu lesen.
  • Ihr Schaltbild zeigte eine Analogie zur Struktur
    des Sehzentrums und sie entwickelten eine
    Theorie, welche Eigenschaften der Anatomie und
    Physiologie des Sehzentrums mit einer
    tech-nischen Simulation des Leseprozesses
    verband, d.h. von ihnen stammen die ersten
    neuralen Netzwerke.

12
Die weitere Entwicklung
  • Ende der vierziger Jahre fasste der Psychologie
    Donald Hebb die Ansätze zu einer Netzwerktheorie
    des Denkens in seinem programmatischen Buch The
    Organization of Behavior zusammen. Als Träger
    höherer neuronaler Prozesse treten Zellverbände
    und deren Interaktion in Netzen auf.
  • Im Gefolge der Kybernetik konstruierte man
    einfache lernende Maschinen (meist über
    Verstärkermechanismen, d.h. Erfolgs-messungen und
    Adaptionen).
  • Symbolmanipulierende Rechner erlaubten abstrakte
    Modellbildungen für höhere kognitive Fähigkeiten
    (inklusive der Sprache) allerdings ging dabei
    oft der Bezug zu realen Prozessen im Gehirn
    verloren. Es gab eine Grenzziehung

parallel processing serial processing
learning programming
emergence analytic description
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Modelle der Wissensrepräsentation
  • Minsky und Papert (1988) nennen als neue und
    weiterführende Ideen
  • ... many new and powerful ideas among them
    frames, conceptual dependency, production
    systems, word-expert-parsers, relational data
    bases, K-lines, scripts, nonmonotonic logics,
    semantic networks, analogy generators,
    cooperative processes, and planning procedures.
  • These ideas about the analysis of knowledge and
    its embodiments, in turn, had strong effects not
    only in the heart of artificial intelligence but
    also in many areas of psychology, brain science,
    and applied expert systems.
  • In den 80er Jahren wurde das Interesse an
    neuronalen Netzwerken und einer gehirnanalogen
    Simulierung kognitiver Prozesse wieder aktuell
    (unter den Stichwörtern massiv parallele
    Verarbeitung, PDP parallele, distribuierte
    Prozesse, neuronale Netzwerke, Neurocomputer).

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Weiche Modelle der Kognitiven Linguistik
  • Eine neue Aufteilung in der Modell-Landschaft
    (etwa seit den 90er Jahren)

A (Computerwiss.) B (Neurowiss.) C (Humanwiss.)
Programmierte Simulationen Syntax, Semantik Pragmatik Lernende Maschi- nen, Neurocomputer, Sprach- und Denk-Roboter Sprachphilosophie Sprachtheorie, Grammatik als Hermeneutik
Die weichen Modelle tendieren stark zu (C),
beziehen sich aber lokal auf (A) und (B).
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  • Eine Rückbesinnung auf die Methoden und
    Theorie-Konzepte des amerikanischen
    Strukturalismus (Bloomfield) und der
    Anthropologischen Linguistik (Boas, Sapir) unter
    gleichzeitiger Integration in die
    interdisziplinäre Bewegung der Cognitive
    Sciences erfolgte auf dem Hintergrund der
    lexikalistischen Variante der Generativen
    Grammatik bei Fillmore und Lakoff.
  • Die Komplettierung ihres Programms durch die
    Modellentwürfe Langackers und die spezielleren
    Modell-Vorschläge Talmys wurde unter dem Namen
    Kognitive Semantik bekannt und hat sich seit
    den 90er Jahren international ausgebreitet.
  • Fauconnier und Turner entwickelten ähnliche
    Konzepte auf dem Hintergrund der logischen
    Tradition in der Mögliche-Welten-Semantik siehe
    die Begriffe blending und conceptual
    integration.

16
Kognitive Modelle und Metaphern bei Lakoff
  • Für die linguistische Metapherntheorie ist der
    Aufsatz von Michael J. Reddy (1979) der
    eigentliche Ausgangspunkt. Reddy geht von
    metalinguistischen Metaphern aus wie
  • Get RM across (to someone).Versuche, deine
    Absichten/Ideen besser rüber zu bringen. (RM 
    repertoire member)
  • Lakoff verallgemeinert und radikalisiert diesen
    Ansatz
  • Since its appearance, an entire branch of
    linguistics and cognitive science has developed
    to study systems of metaphorical thought that we
    use to reason and base our actions on, and that
    underlie a great deal of the structure of
    language. (1993)

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  • In seinem Buch Women, Fire, and Dangerous
    Things (1987) nimmt Lakoff eine neue
    Standortbestimmung der Bedeutungstheorie vor. Er
    schließt sich der Kritik Putmans in Reason,
    Truth and History (1981) an. Das, was Putman am
    metaphysischen Realismus, nämlich die Illusion
    eines externen Standpunktes, aussetzt, überträgt
    Lakoff auf die Semantik. Seine eigene Position
    nennt er in Anlehnung an Putmans internal
    realism experiental realism. Der Mensch in
    seiner leiblichen und ökologischen Gebundenheit
    ist der Ausgangs- und Zielpunkt jeder
    Bedeutungsanalyse.
  • Experiental realism characterizes meaning in
    terms of embodiment, that is, in terms of our
    collective biological capacities and our physical
    and social experiences as being functioning in
    our environment 
  • Experientalism claims that conceptual structure
    is meaningful because it is embodied, that is
    arises from, and is tied to, our preconceptual
    bodily experiences. (Lakoff, 1987 267)

18
  • Eine Säule vieler Detailanalysen vgl. z.B. die
    Fallstudien in Lakoff (1987 377-585) bildet die
    natürlichen Logik (sie arbeitet
    charakteristischerweise mit Prädikatskonstanten,
    z.B. CAUSE).
  • Die zweite Säule der Kognitiven Semantik stellt
    die wieder entdeckte Rhetorik dar. Rhetorische
    Figuren werden ins Zentrum der Theoriebildung
    gerückt und sowohl linguistisch als auch
    kognitionswissenschaftlich neu interpretiert.
  • Die Metapher Sie erlaubt in einer
    generalisierten Form den Übergang von körper- und
    erfahrungsnahen konzeptuellen Strukturen zu
    allgemeinen, abstrakteren Bereichen. Als
    Wegweiser dienen dabei feststehende Wendungen
    bzw. globale Metaphern, wie time is money,
    love is a journey.
  • Die Metonymie, der Schluss vom Teil auf das Ganze
    und umgekehrt. Diese Figur ist auf andere
    Beziehungen anwendbar.
  • Eine dritte, und vielleicht die stärkste Säule,
    bilden Schematheorien und der Begriff des
    Prototyps.

19
Die Kognitive Bildsemantik Langackers
  • Die Basis ist durch Räume bzw. Matrizen, sowie
    die Netzwerke, Zugangshierarchien, die
    Zentralität und die Primärdomänen spezifiziert.
    Das Profil hebt eine Teilstruktur hervor und
    hierarchisiert damit die Struktur.
  • (a) Die Lampe über dem Tisch.
  • (b) Der Tisch unter der Lampe.
  • (c) Das Bein des Tisches unter der Lampe.
  • (d) Das Licht von der Lampe über dem Tisch.

Schematische Darstellung der vier Sätze nach
Langacker
20
Landmark und Trajector bei der Nominalisierung
  • Trajector als Profil (als inneres Subjekt)
  • Tänzer (das sich bewegende/handelnde Subjekt
    steht im Profil)
  • Koch (das sich bewegende/handelnde Subjekt steht
    im Profil)
  • Richter (das sich bewegende/handelnde Subjekt
    steht im Profil)
  • Sänger, Läufer, Schreiber, Angreifer usw.
  • Landmark im Profil (inneres Objekt)
  • der Angeklagte
  • der Tanz (er/sie tanzt einen Tanz, eine
    Figur ...)
  • das Gedicht (er/sie dichtet einen Text)
  • Instrumente (landmark)
  • Bohrer (womit man bohrt)
  • Schläger (womit man schlägt)
  • Flieger (womit man fliegt)

21
Funktionsverb-Gefüge (Langacker)
Unterschied zwischen Verb und Verb-Nominalisierun
g im Funktionsverbgefüge.
22
Die Raum- und Prozess-Semantik von Talmy
  • Anfang der 80er Jahre löst sich Talmy zunehmend
    von Theorie-Konzepten der generativen Semantik
    (siehe die Tiefenprädikate und Transformationseben
    en seinem Artikel von 1975) und versucht,
    Konzepte der Kognitiven Psychologie, z.B. zur
    mentalen Imagination, einzubeziehen.
  • Er geht von vier Vorstellungssystemen aus
    (imaging systems vgl. Talmy, 1983), welche in
    natürlichen Sprachen benutzt werden. Sie sind
    unabhängig voneinander und somit in ihrer Wirkung
    addierbar.
  • Die geometrische Konfiguration
  • Die Spezifizierung des Perspektivpunktes, dem Ort
    des geistigen Auges
  • Die Fokussierung der Aufmerksamkeit
  • Die Kraft-Dynamik (force - dynamics)

23
Force-dynamics
  • Talmy verwendet zwar den mathematischen Begriff
    des Vektors, führt dann aber normalsprachliche
    Begriffe ein
  • Kraft-Tendenzen, deren Resultat, Ruhe und
    Handlungszustände, sowie Übergänge zwischen
    Handlung und Ruhe.

? The ball kept rolling because of the
wind blowing on it. Innere Tendenz des Agonisten
Ruhezustand (?) der Antagonist ist stärker
() Wirkung der Kraft Handlung/Prozess (?) Der
Agonist verändert seine Lage.
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Modelle mit mentalen Karten und konzeptueller
Integration (Fauconnier, Turner)
  • Seit den 90er Jahren gibt es eine Verbindung
    zwischen den Forschungen zur Kognitiven Semantik
    von Lakoff und Langacker einerseits und Arbeiten,
    die aus einer kognitiv interpretierten
    Situationssemantik hervorgegangen sind.
    Fauconnier hatte bereits relativ früh den
    logischen Ansatz einer Möglichen-Welten-Semantik
    kognitionswissenschaftlich interpretiert.
  • Die Semantik bildet demnach sprachliche Ausdrücke
    auf mentale Karten ab. Da auch Lakoff in seiner
    Metaphern-theorie von einer Abbildung zwischen
    mentalen Bereichen, vom Basisbereich (ground) zum
    Zielbereich (goal) spricht und damit eine
    kognitive Kartierung impliziert, war eine
    Ver-bindung von Metapherntheorie (im Stil von
    Lakoff/Johnson, 1980) und mentalen Karten im Stil
    von Fauconnier nahe-liegend.

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  • Die Forschung zu analogen Abbildungen
    (Metaphern) hat sich wesentlich auf Prozesse des
    inferentiellen Transfers von einer Quelle (oder
    Basis) auf ein Ziel konzentriert. Der Kernpunkt
    solcher Prozesse liegt in der partiellen
    Abbildung und im Zusammenfügen der Strukturen und
    Elemente von Quelle und Ziel. Danach können die
    Operationen des Zusammenfügens und der partiellen
    Abbildung dazu benützt werden, zu-sätzliche
    Struktur, die in der Quelle nicht vorhanden ist,
    auf den Zielbereich abzubilden, wodurch dieser
    weiter angereichert wird. Diese Zusatzstruktur
    kann wiederum dynamisch manipuliert werden,
    wodurch weitere Relationen und Verbindungen
    entstehen. (Fauconnier, 2002 1 Übersetzung
    d.A.)

26
Verbandstheoretische Modellierung der
konzeptuellen Integration
Der Verband der Überlagerung von zwei
Input-Karten
Standard-Darstellung des Blending.
27
Ein anschauliches Beispiel
28
Einige kritische Fragen an die Kognitive
Semantik
  • Wegen ihrer konsequenten Orientierung an der
    Folk-Kategorisierung müsste sich die Kognitive
    Semantik selbst als Folk-Linguistik verstehen
    und könnte als solche von keinem
    Kognitions-wissenschaftler ernst genommen werden.
    Dies könnte man als Zielkonflikt bezeichnen.
  • Vom Typus der Argumentation her, d.h. der Nutzung
    von intuitiven Bildschemata, der Abwehr einer
    Systematisierung (Mathema-tisierung) der
    Bildersprache, der (eklektischen) Nützung
    generativer Mechanismen, passen diese Modelle
    nicht in eine naturwissen-schaftlich dominierte
    Kognitionswissenschaft. Sie bleiben
    herme-neutisch.
  • Die Mental-Map- und Blending-Modelle von
    Fauconnier und Turner nützen zwar Techniken der
    logischen Semantik, müssen dazu aber die
    kognitiv relevanten, bildhaften und
    prozessualen Aspekte in ein algebraisches
    Prokrustesbett pressen.
  • Die Bezüge zur Kognitionswissenschaft, sei es zu
    Modellen des Wahrnehmens oder der Motorik, sei es
    zu neurobiologischen Modellen des Gedächtnisses
    bleiben vage und haben auf die konkrete
    linguistische Analyse nur geringe Auswirkungen.

29
  • Die geringe Anpassung an die Methodologie der
    Kognitionswissenschaften hat einerseits mit der
    starken Grammatiktradition (globale Theorien
    werden bevorzugt) zu tun.
  • Andererseits sind die exakten Modele und die
    diesen zu Grunde liegenden experimentellen
    Ergebnisse der Neurowissenschaften auf einfachere
    Prozesse (Motorik, Wahrnehmung, einfaches
    Gedächtnis- und Lernleistungen) bezogen, so dass
    eine solide naturwissenschaftliche Basis für eine
    Sprachtheorie (Syntax und Semantik) weitgehend
    fehlt.
  • Mathematische Modelle für eine neuronale
    Sprachdynamik müssen erst entwickelt werden.

30
Schlussbemerkung
  • In einem Beitrag von 2004 unter dem Titel How
    the Cognitive Revolution Passed Lingusitics by
    analysiert Seuren das Scheitern einer
    konsequenten kognitiven Neuorientierung in der
    Linguistik. Um dieses Ziel doch noch zu
    erreichen, empfiehlt er
  • For a serious and up-to-date reintroduction of
    the cognitive factor in the human sciences it is
    necessary, first that a group of psychologists,
    linguists, pragmaticists, logicians,
    philosophers, and possibly also geneticists,
    anthropologists and prehistorians come together
    and commit themselves to the study of the
    FOUNDATIONS OF LANGUAGE AND COGNITION.

31
Einige bibliographische Hinweise
  • Fauconnier, Gilles and Mark Turner, 2002. The Way
    we Think. Conceptual Blending and the Minds
    Hidden Complexities, Basic Books, New York.
  • Heidegger, Martin,1971. Was heißt Denken?,
    Niemeyer, Tübingen.
  • Lakoff, George and Mark Johnson, 1981. Metaphors
    We Live By, University of Chicago Press, Chicago.
  • Lakoff, George, 1987. Women, Fire, and Dangerous
    Things. What/How Categories Reveal About the
    Mind. Chicago Chicago U.P.
  • Langacker, Ronald, 1987, Foundations of Cognitive
    Grammar, Vol. 1, Theoretical Prerequisites.
    Stanford Stanford U.P..
  • --, 1993. Foundations of Cognitive Grammar, Vol.
    2, Descriptive Application, Stanford U.P.,
    Stanford
  • Talmy. Leonard, 2003 Toward a cognitive
    semantics, MIT Press, , Bd.. 1 Concept
    structuring systems, Bd. 2 Concept structuring
    systems.
  • Wildgen, Wolfgang. 1982. Catastrophe Theoretic
    Semantics. An Elaboration and Application of René
    Thom's Theory. Amsterdam Benjamins.
  • Wildgen, Wolfgang. 1994. Process, Image, and
    Meaning. A Realistic Model of the Meanings of
    Sentences and Narrative Texts. Amsterdam
    Benjamins..
  • Wildgen, Wolfgang. 2004. The Evolution of Human
    Languages. Scenarios, Principles, and Cultural
    Dynamics. Amsterdam Benjamins.
  • Wildgen, Wolfgang, 2005. Einführung in die
    Kognitive Grammatik (Skript) auf meiner home
    pagehttp//www.fb10.uni-bremen.de/homepages/wildg
    en.htm. Dort sind weitere Arbeiten zum Thema zu
    finden (ling25)
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