Title: Wahrnehmen, Beobachten und Beachten von Kindern Kinderbeobachtung und Bildungsdokumentation Augsburg 21. Juli 2006
1Wahrnehmen, Beobachten und Beachten von
KindernKinderbeobachtung und Bildungsdokumentati
onAugsburg21. Juli 2006
- Prof. Dr. Tassilo Knauf
- Universität Duisburg Essen
2Beobachten - Dokumentieren
- Wir sind alle geborene Beobachter!
3Wahrnehmen - Beobachten - Beachten
- Beobachten entsteht aus Wahrnehmen
- Beobachten verbindet Wahrnehmung und Interesse
- Beobachten bedeutet Konzentration im doppelten
Sinne- Selektion und Fokussierung sowie-
Anhalten von Aufmerksamkeit.
4Beobachten ist ein zentrales Element des
Lernens und beteiligt die ganze Person
- Es verlangt oft Bewegung (hingehen, sich bücken,
sich recken) - Es provoziert oft den Einsatz und die Integration
anderer Sinne (tasten, riechen, schmecken,
horchen) - Es führt zu Kommunikation
- Es hat verschiedene produktive Handlungen zur
Folgen.
5Beobachten ist immer
- ein sinnlich-körperlicher
- ein emotionaler und
- ein geistiger Vorgang.
6Kinderbeobachtung und Bildungsdokumentation
- Die wichtigsten Begriffe in der pädagogischen
Praxis sind nicht mehr Sprechen, Erklären und
Vermitteln, - sondern Zuhören, Beobachten und
Dokumentieren! - (nach Carla Rinaldi/Gunilla Dahlberg 2005).
7Kinderbeobachtung und Bildungsdokumentation
- Beobachten und Zuhören bedeuten
- Offenheit, Einfühlung und Respekt gegenüber dem
anderem - Achten auf die 100 Sprachen und Codes des
Selbstausdrucks und der Kommunikation und dafür
Zeit haben - Unterschiede, Besonderheiten, unterschiedliche
Standorte willkommen heißen - Aktivität des Deutens, Verstehens und der
Wertschätzung des anderen, Gefühle wie Neugierde,
Zweifel, Interesse - Verzicht auf Antworten zugunsten des Zulassens
von Zweifel und Unsicherheit - die Einzigartigkeit jeden Kindes zu erkennen und
anerkennen - (nach Carla Rinaldi/Gunilla Dahlberg 2005).
8Kinderbeobachtung und Bildungsdokumentation
- Dokumentieren bedeutet
- Das Unsichtbare sichtbar zu machen
- Die Subjektivität des Beobachters/Dokumentierenden
und der Dokumentation, Ungewissheit,
Vorläufigkeit und Neuinterpretierbarkeit der
Dokumentation anerkennen - Verschiedene Leser zulassen Kollegen, Kinder,
Eltern - Das Kind als autonomen, Problem lösenden
Konstrukteur seiner Entwicklung sowie seine
Gefühle und seine Kreativität herausstellen - (nach Carla Rinaldi/Gunilla Dahlberg 2005).
9Kinderbeobachtung und Bildungsdokumentation
- Beobachten und Dokumentieren kann entgegen
gesetzten Aufgaben und Zielen dienen - Das Abgleichen der Kinder in Bezug auf
Entwicklungsnormen sowie die verbesserte
Beeinflussbarkeit und Kontrollierbarkeit von
Kindern - Wahrnehmen des Unverwechselbaren,damit auch
Abbau von Normvorstellungenund Lernen der
Sensibilität für komplexe Handlungs-, Beziehungs-
und emotionale Konstellationen . -
- Die Subjektivität des Beobachters/Dokumentierers
und der Dokumentation, Ungewissheit,
Vorläufigkeit und Neuinterpretierbarkeit der
Dokumentation anzuerkennen - Verschiedene Leser zuzulassen Kollegen, Kinder,
Eltern - Das Kind als autonomer, Problem lösender
Konstrukteur seiner Entwicklung sowie seine
Gefühle und seine Kreativität herauszustellen - (nach Carla Rinaldi/Gunilla Dahlberg 2005)
10Ausgangsthese Izur stärkenorientierten
Beobachtung
- Die Erzieherin beobachtet
- das einzelne Kind, um seine Individualität mit
seinen besonderen Potenzialen, seinen
Unterstützungsbedarfen und der Spezifik seiner
Entwicklung besser wahrzunehmen und zu verstehen, - aber auch um die Aktionen und Interaktionen der
Kinder, um mehr zu wissen über Vielfalt,
Entwicklung und Veränderung von Handlungs-,
Denkstrukturen und emotionalen Orientierungen der
Kinder.
11Ausgangsthese IIzur stärkenorientierten
Beobachtung
- Die Erzieherin
- sollte Beobachtung
- als Teil einer ganzheitlichen elementarpädagogisch
en und kindorientierten Praxis verstehen.
12Funktionen der Beobachtung
- Mehr Wissen über Interessen, Aktions- und
Interaktions-strukturen sowie das Denken und die
emotionalen Assoziationen der Kinder - Kompetenzprofil des einzelnen Kindes erfassen
- Entwicklung des einzelnen Kindes erfassen
- Eltern informieren und beraten
- Individuelle Förderung auf Kinder zuschneiden
- Anhaltspunkte für besonderen Förderbedarf
ermitteln - Eigene Arbeit überprüfen.
13Kleingruppenbeobachtung in ProjektenProjekt
Pferde 2. Woche 29.11. 01.12.2004
Datum Beteiligte Kinder Aktivitäten Kommentar
29.11. Simone, Giulio, Christian Schauen sich zwei Pferdebücher an, zeichnen auf verschiedenen Formaten Pferde. Giulio vergleicht seine Zeichnungen mit den Bildern in einem der Bücher.
30.11. Simone, Giulio, Christian, Roberto Es werden weitere Pferde gezeichnet und gemalt. Das Malen mit Farben färbt auf das Zeichnen ab vermehrt Buntstifteverwendung
01.12. Simone, Giulio, Christian, Roberto Simone u. Roberto malen, Giulio u. Christian beginnen Pferde aus Ton zu modellieren. Christian arbeitet zum ersten Mal mit Tonern. Sein Vorbild ist Giulio.
14Projekte in der Reggio-PädagogikDokumentation
- Formen- Wand- dokumentation-
Heftdokumentation- Video, Dias
- Elemente- Kinderarbeiten- Fotos vom Prozess-
Kinderaussagen- Überschriften, Daten-
Kurzkommentare
15(No Transcript)
16Fehler der Beobachtung
- Beispiele
- Der erste Eindruck
- Der Halo-Effekt
- Der Pygmalion-Effekt.
17Prinzipien der Beobachtung
- Das einzelne Kind in seiner Unverwechselbarkeit
wahrnehmen - Neugierde und Unvoreingenommenheit als Haltungen
entwickeln - Sich weder an allgemeinen Entwicklungsnormen noch
an der Feststellung einzelner Defizite
orientieren - An Stelle der punktuellen Feststellung
Entwicklungsprozesse im Auge behalten - Nicht Objektivität, sondern Differenziertheit der
Personwahrnehmung ist methodischer Anspruch - Ziel ist es, dem Verstehen des einzelnen Kind
nahe zu kommen - Vorgänge des Beobachtens und Dokumentierens
koppeln - Die Interpretation möglichst dicht auf die
Dokumentation stützen.
18Probleme der Beobachtung
Formen der Beobachtung
- Unstrukturierte oder strukturierte Beobachtung
- Ungerichtete oder gerichtete Beobachtung
- Nicht teilnehmende oder teilnehmende Beobachtung
- Punktuelle, diskontinuierliche oder
kontinuierliche Beobachtung.
19Probleme der Beobachtung
Typen der Beobachtung
- Orientierung an Entwicklungsnormen
(Gelsenkirchener Entwicklungsbogen) - Orientierung an der Ermittlung von Defiziten und
Problemgruppen (Bielefelder Screening) - Orientierung an individuellen Potenzialen
(Leuvener Engagiertheitsskala Bildungs- und
Lerngeschichten des DJI Beobachtungskonzept von
INFANS e.V.).
20Probleme der Beobachtung
Kinderbeobachtung und Bildungsdokumentation mit
dem Individuelle Entwicklungs-ErfassungIEE
- Die drei theoretischen Grundannahmen
- Das ganzheitliche Entwicklungs-konzept der
Neurobiologie - Die Annahme des Konstruktivismus zur
Intelligenzentwicklung - Der Kompetenzbegriff.
21Theorie-Wurzeln von Bildung
- Empirische
- Bildungsforschung
- mehr Wissen über
- die Effekte sozialer Herkunft
- die Effekte kultureller Milieus
- die Effekte institutioneller Strukturen
- die Effekte von Lernkulturen und
Interaktionsstilen.
22Theorie-Wurzeln von Bildung
- Hirnforschung,
- Neurobiologie
- mehr Wissen über
- die Bedeutung von Wahrnehmung für Erkenntnis-,
Denk- und Lernprozessen - die Bedeutung von Bewegung für die Stimulierung
von neuen Erfahrungen und Erkenntnissen - die Bedeutung früher Stimulierung von Interessen
und experimentellen Handlungen - die Bedeutung von Emotionen für intentionale
Lernprozesse - die Bedeutung von Heterogenität und
Individualität des Lernens.
23Theorie-Wurzeln von Bildung
- Konstruktivismus
- mehr Wissen über
- die Struktur des Lernens als Aufbau individueller
Bedeutungen Das ist mir wichtig! Damit kann ich
etwas anfangen! Dafür engagiere ich mich! Davon
will ich mehr wissen! - die Bedeutung des Umlernens und Verlernens, des
Loslassens bedeutungslos gewordenen Wissens
(Dekonstruktionen). - die Baustoffe unseres Wissens eigene
Erfahrungen, Erfolge und Misserfolge beim
Problemlösen, Lernen am Modell, Gewohnheiten,
Geschichten, Aha-Erlebnisse im Gespräch, gezielte
Informationsaufnahme
24Kinder als Konstrukteure
- Kinder sind Konstrukteure
- von Welterfahrung
- von Selektionssystemen der Wahrnehmung
- von emotionalen Beziehungen
- von Symbolsystemen (Sprache)
- von Gewohnheiten
- von viablen Handlungsstrategien
- von Selbstkonzepten.
25PädagogInnen als Ko-Konstrukteure Erzieherinnen
sind Modelle
- des Verhaltens
- der Bewertung
- der Grade von Aktivität
- des Zutrauens in die eigene Kraft
- der akzeptierten Normsysteme in den Bereichen
Gemeinschaftsregeln, Ästhetik, Balancen
zwischen Anpassung und Eigensinn.
26Kinder brauchen Wurzeln und Flügel
- Wurzeln
- Verlässliche Beziehungen Wärme und Geborgenheit
- Interesse und aktive Engagiertheit der
Bezugspersonen - Wechselseitige statt direktiver und restriktiver
Interaktion - Vertraute Räume und Gegenstände
- Orientierung gebende Regeln und Rituale
- Wiederkehrende Zeit- und Aktionsstrukturen
- Werte
- Flügel
- Höhepunkte und Ausnahmen
- Erleben von Glück und Stolz
- Herausforderungen und Anforderungen
- Störungen, Irritationen und Krisen
- Langeweile und Alleinsein
27Individuelle Entwicklungs-ErfassungIEEDie drei
Bausteine
I Ganzheit-liche Kurzeitbe-obachtung II Portfolio Sammlung von Ent-wicklungs-dokumen-ten III Individuel-les Entwick-lungs- und Kompetenz-profil
28IGanzheitliche Kurzzeitbeobachtung
- Kurzbeobachtung (maximal 5 Minuten)Unmittelbare
s Notieren des (Inter-) AktionsprozessesNachfrage
n (beim Kind, den Kindern, einer
Kollegin)Interpretation des Beobachteten nach
den Kriterien (in Anlehnung an Carr/DJI) - (Bewegung)
- (Wahrnehmung)InteressenEngagiertheitProblemlös
ungKommunikationPerspektivenwechsel - Datierung und ArchivierungNutzung der
Beobachtungsdokumente in Kommunikation und
Beratung mit Kolleginnen und Eltern.
29Kurzzeitbeobachtung
- Lisa, 28.04.04, 10.30-10.40 Uhr in ca. 3 m
Entfernung zur Bauecke - Lisa geht zur Bauecke. Dort spielen Lena und
Julia und bauen Türme. - Lisa Kann ich mitspielen? Lena und Julia
antworten ca. 1 Min. nicht. Dann schließlich
Julia Du siehst doch, wir spielen hier. - Lisa zögernd Dann kann ich doch mitspielen.
Wieder erst Schweigen. Dann schließlich wieder
Julia Du kannst doch auch zum Frühstückstisch
gehen
30Kommentare zur Kurzzeitbeobachtung
- Lisa, 28.04.04, 10.30-10.40 Uhr
- Interesse
- Lisa möchte in der Bauecke spielen.
- Interessenverfolgung
- Lisa verfolgt dieses Interesse vordergründig
ziemlich beharrlich. Zweimaliges Fragen. - Problemlösefähigkeit
- Sie bleibt bei der wiederholten (und leicht
variierten) Äußerung ihrer Wünsche. Sie bewegt
sich nicht, bleibt in Distanz zur Bauecke stehen,
macht mit den Kindern keine Verhandlungen und
lässt keine Kompromisse erkennen. - Kommunikationsfähigkeit
- Lisa äußert ihre Bitte klar und deutlich,
variiert sie nur wenig und geht auch nicht auf
die Äußerungen Julias ein. - Perspektivenwechsel
- Lisa bleibt bei ihrem Interessenstandpunkt,
appelliert an die anderen. Hört bei den
Ausführungen Julias vermutlich gar nicht zu, geht
folgerichtig auch nicht auf Julias Ersatzangebot
ein.
31IIPortfolio
- Für jedes Kind Anlegen einer Mappe
- Sie enthält - Kurzeitbeobachtungen-
Kinderzeichnungen, Kinderbilder- Fotos des
Kindes in Aktion und Interaktion- notierte
Kinderaussagen - Kurznotizen über Beobachtungen
und Überlegungen der Erzieherin usw. - Alle Entwicklungsdokumente sind mit einem Datum
versehen.
32Notiz im Portfolio
- 02.05.04, 11.30 Uhr Leo K. (geb.11.11.01)
- Leo auf dem Weg vom Stadtpark in die Kita Jetzt
gehen wir, Gott sei Dank, in den Kindergarten. - Erzieherin Warum Gott sei Dank?
- Leo Weil ich bin müde. Leo will ins Bett. Wer
ist Gott?
33Kompetenzbereichenach dem EKP
Motorik Wahrnehmung
Sozialkompetenz Wertorientierung
Selbst- Methoden-
Sach- kompetenz
kompetenz kompetenz
Entwicklungs- und Kompetenzprofil
34Prof. Dr. Tassilo Knauf, Dr. Elke Schubert,
Universität DuisburgEssen Entwicklungs- und
Kompetenzprofil Name des Kindes
_________________ geb. am _____________ Bearbe
iter/in _________________
Datum _____________
Kompetenzbereich Motorik Wahrnehmung Soziale Kompetenz und Wertorientierung Selbstkompetenz Methodenkompetenz Sachkompetenz Motorik Wahrnehmung Soziale Kompetenz und Wertorientierung Selbstkompetenz Methodenkompetenz Sachkompetenz Motorik Wahrnehmung Soziale Kompetenz und Wertorientierung Selbstkompetenz Methodenkompetenz Sachkompetenz Motorik Wahrnehmung Soziale Kompetenz und Wertorientierung Selbstkompetenz Methodenkompetenz Sachkompetenz Motorik Wahrnehmung Soziale Kompetenz und Wertorientierung Selbstkompetenz Methodenkompetenz Sachkompetenz Motorik Wahrnehmung Soziale Kompetenz und Wertorientierung Selbstkompetenz Methodenkompetenz Sachkompetenz Motorik Wahrnehmung Soziale Kompetenz und Wertorientierung Selbstkompetenz Methodenkompetenz Sachkompetenz Kommentar (insbesondere zum Entwicklungsprozess)
Kompetenzbereich Grund- lage Grund- lage Ausprägung Ausprägung Ausprägung Ausprägung Ausprägung Kommentar (insbesondere zum Entwicklungsprozess)
Kompetenzbereich 1 2 a b c d e Kommentar (insbesondere zum Entwicklungsprozess)
- 1) unmittelbar beobachtet 2) nach dem
Gesamteindruck - sehr ausgeprägt b) ausgeprägt c) im
Durchschnitt liegend d) weniger ausgeprägt
e) Problembereich
35Erziehungspartnerschaft mit Eltern
Mit Eltern gemeinsam (ohne Scham und
Beschönigung) ein differenziertes Bild ihres
Kindes entwickeln, auf das sie stolz sein können
und in dem die Kompetenzen und Ressourcen im
Vordergrund stehen.
36Rückmeldung an Eltern
- Varianten
- nur Gespräch mit beruhigenden Aussagen
- 2. Aushändigen der Bögen
- 3. ganzheitliche Beurteilung - besondere
Stärken - Ausprägung von Kompetenzen
(Selbstkompetenz, Sozialkompetenz,
Sachkompetenz, Bewegung, Wahrnehmung,
Sprache) - unterstützungsbedürftige Bereiche
37Sozialdatenschutz von Beobachtungsdatennach 65
Sozialgesetzbuch (SGB) VIII
- Das Bildungs- und Erziehungsrecht wird von den
Eltern der Tageseinrichtung übertragen - Beobachtungsdaten unterliegen wegen dieses
Übertragungsverhältnisses einem besonderen
Vertrauensschutz - Beobachtungsdaten dürfen nur mit
Elterneinwilligung an Schulen weiter gegeben
werden.
38Zusammenarbeit mit der Schule
- Dabei sollten folgende Prinzipien berücksichtigt
werden- Die Datennutzung sollte transparent
sein- Die Konsequenzen sollten zurück
gespiegelt werden- Es sollte ein
kontinuierliches Kommunikations- und
Kooperationsverhältnis aufgebaut werden.
39Informationen!
- Wollen Sie mehr wissen über
- Beobachten und Dokumentieren
- Übergänge und Schnittstellen im Elementarbereich
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